11. April 2012

Nieder mit dem Battle.net!


aus gegebenem Anlass:

Überall werden wir verfolgt, geliked, geplussed, ein jeder neuer Rekord, jedes achievement und Ereignis wird sofort mit allen Bekannten, Verwandten und dem Typen vom Kiosk um die Ecke geteilt.

Alleine ein paar Runden spielen? Gibt's nicht mehr, man wird auf Schritt und Tritt verfolgt.
Ein anregender, (nicht ganz ernst zu nehmender) Beitrag von Christoph Holowaty auf gamesindustry.biz:


Kein Highscore bleibt unbeachtet: Seit Einführung sozialer Features wird Zocken zum Publikumssport. Christoph Holowaty trauert Offline-Zeiten hinterher.

Früher war natürlich alles besser. Wir haben Mutti einfach gesagt, wir gehen draußen spielen. Die wiederum hat uns allenfalls allerlei Ermahnungen, ein Zeitlimit und bei deren Missachtung entsprechende Sanktionen mit auf den Weg gegeben.
Nie wäre sie drauf gekommen, dass wir mit bunter Kreide alberne Grafittis auf die Wände des Spielplatzhäuschens schmieren. Im Traum hätte sie nicht geglaubt, dass wir den armen Karl-Heinz bis zur Halskrause im Sandkasten vergraben würden. Oder dass wir der rothaarigen Anja, die wir mit ihrer dicken Brille ziemlich blöd fanden, "Hexe! Hexe!" hinterher schreien. Es war unser kleiner, aber weitgehend rechtsfreier Raum, den wir damals anarchistisch ausleben konnten. Bis dann Peanuts, der zwar vergleichsweise harmlose, aber vom Wesen her unfassbar niederträchtige Beagle aus der Nachbarschaft als Endgegner vorbeischaute und dem bunten Treiben regelmäßig laut kläffend ein Ende setzte. Hogger gab´s schon damals.
Aber Mutti war eben Mutti und nicht unser Buddy auf der Friendlist. Das war auch gut so. Damals gab es zum Glück kein Facebook und kein Battle.net und kein als Spielenetzwerk getarntes Überwachungssystem von weltumspannender Reichweite.
Jetzt ist alles anders, und spätestens seit ich in einer schwachen Stunde meine Freundin im Battle.net geaddet habe, kommt alles raus. Zum Beispiel, dass ich den Blumenstrauß für die Nachbarn nicht besorgen konnte, weil ich nicht im Aufzug stecken geblieben bin, sondern weil ich in StarCraft II gerade von Protoss-Einheiten umzingelt war. Oder dass ich den TÜV-Termin versäumt hatte, weil ich eben noch ein paar Orks in der Warsong-Schlucht umnieten musste.
Dissen, Flamen oder Trollen ist natürlich eh nicht drin, das fliegt auf. Und wehe, ich habe einen Raid in World of Warcraft ohne meine Freundin durchgezogen, dann ist aber richtig Beef, wie man auf Neudeutsch sagt. Und da ich sie nun mal im Battle.net geaddet habe, Gott sei meiner armen Seele gnädig, werden ich nun auch ab Mai in Diablo III auf Schritt und Tritt verfolgt. Super Sache, Blizzard, ganz prima Idee, Ihr Social Networker.
Ich warte darauf, dass die Spiele-Publisher endlich die wahre Zielgruppe wiederentdecken: Den interaktiven Eigenbrötler. Mit anderen Worten: Mich. Virtuelle Spielewelten müssen ein Refugium der Fantasie bleiben. Hier will ich nicht der Holowaty sein, sondern zum Beispiel Firlefanz, der mächtige Magier.
Bis Blizzard das durchschaut hat, entstaube ich mein Nintendo Entertainment System von 1987 und gebe mich der Einsiedelei hin. Wir wollen doch nur spielen.
Herzlichst,
Ihr Christoph Holowaty


Was meint ihr zu dieser Entwicklung?
Begrüßt ihr die soziale Integration?
Oder vermisst ihr euer altes Einsiedlerleben im Keller hinter geschlossenen Vorhängen und heruntergelassenen Jalousien? 
- the incredible Leitman

2 Kommentare:

Dirk hat gesagt…

Ein Spiel kann sehr gern auch einen Mehrspielerbereich bieten aber ohne Offline Inhalt und Geschichte ist es sehr unvollständig finde ich.
Klar, manche Spiele sind von Anfang an für Mehrspieler Entwickelt wurden, da muss man Unterscheiden.

Wobei hier ein Mehrspielermodus ein solcher sein sollte. Soziale Netzwerke gehören da nicht mit rein denn es sollte um das wesentliche gehen, Spielen :)

Mehrspieler macht Spaß aber nen einfacher Nickname der Lokal auf dem eigenen Computer gespeichert wird sollte ausreichen.

Grüße, Dirk

the incredible Leitman hat gesagt…

Sehe ich auch so, Dirk :)

Klar habe ich nichts gegen Multiplayer... aber ich möchte nicht unbedingt mit meinem richtigen Namen oder anderen Daten überall aufscheinen und vom gläsernen Bürger auf den "gläsernen Gamer" übergehen xD