25. September 2009

Bewiesen - Wir werden dümmer

Britische Jugendliche von heute schneiden bei Intelligenztests erheblich schlechter als die 14-Jährigen von 1976 ab.

James Flynn, ein Wissenschaftler aus Neuseeland, hatte in den achtziger Jahren festgestellt, dass die Menschen von Generation zu Generation immer intelligenter würden, zumindest was die Lösung einiger Intelligenztests betrifft. Man sprach seitdem vom Flynn-Effekt, der sich aber nicht auf die ganze Intelligenz beziehen würde, wie Flynn selbst anmerkte. Allerdings trübte sich die Perspektive auf den unaufhaltsamen Fortschritt der Intelligenz in den letzten Jahren ein wenig ein. Forscher sprachen davon, dass der Gipfel überschritten worden sei und es jetzt wieder nach unten gehen könnte. Dafür machte man etwa den neuen Lebensstil und die Überversorgung mit Medien aus.

Jetzt wollen auch britische Forscher vom King's College einen Niedergang der Intelligenz bei den Jugendlichen festgestellt haben, allerdings nicht auf breiter Front. Der Psychologe Michael Shayar unterzog 800 13- bis 14-Jährige Intelligenztests und verglich die Ergebnisse mit einem ähnlichen Test aus dem Jahr 1976. Danach sind die durchschnittlich Intelligenten zwar klüger geworden, die Intelligentesten wurden aber "dümmer" bzw. weniger. Komplizierte Denkfähigkeiten, die mathematisches Wissen beinhalten, können nicht mehr 25 Prozent leisten, wie noch 1976, sondern gerade einmal noch 5 Prozent der Jugendlichen. Gefragt wurden die Jugendlichen auch nach abstrakten wissenschaftlichen Konzepten, beispielsweise, was Veränderungen bei den Schwingungen eines Pendels verursacht, was statt 25 nur noch 10 Prozent sagen konnten. Dieser Test würde keine wissenschaftlichen Voraussetzungen machen.

Shayer meint, die Jugendlichen heute würden schneller antworten, aber sie könnten nur noch oberflächlich denken: "Sie sind nicht dazu imstande, einen Schritt aus der Realität herauszutreten und zu überlegen." Der Abbau der Intelligenz oder hier auch des selbständigen Denkens könnte das Resultat der Schulbildung sein, die die Kinder vor allem auf das Bestehen von Tests trainiert, aber auch das veränderter Freizeitbeschäftigungen. Shayar weist auf Fernsehen und Computerspiele hin und er warnt davor, dass Wissenschaftler angesichts der Ergebnisse seiner Studie in Zukunft knapp werden könnten. Gerade erst wurde ein Bericht in Großbritannien veröffentlicht, der auf die Ressource des "geistigen Kapitals" als Standortvorteil im Zeitalter der Wissensgesellschaft aufmerksam machte.

Möglicherweise gibt es ein Problem, nämlich dass die Wissensgesellschaft just die Techniken entwickelt, die Kinder und Jugendliche langfristig verdummen. Das wäre dann ein bisschen so wie in der Finanzindustrie. Man schafft erst einmal mehr Umsatz und Gewinn, aber wenn sich die Innovationen ausbreiten, beginnt allmählich die Blase zu platzen, weil sie nicht nachhaltig ist. So könnte beispielsweise, falls man den Ergebnissen des Tests und dem Vergleich trauen kann, die Selbständigkeit des Denkens etwas mit der durch Medien beschädigten, weil überforderten Aufmerksamkeit zu tun haben. Es ist ein himmelweiter Unterscheid, ob sie ständig von außen durch Neues geweckt oder von innen motiviert wird. Sollte der Befund zutreffen, so wäre der schnelle Verfall kognitiver Leistungen innerhalb von nur 30 Jahren höchst bedenklich.


(Florian Rötzer - heise.de)

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